Pressemitteilung zum Konflikt zwischen Radfahrern und Fußgängern auf dem Leinpfad

Eine Geste der Fairness und des Anstandes: Angstfreies Familienufer zwischen Eltville und Walluf
Im Rheingau wird der rheinbegleitende Radweg von Walluf bis Lorchhausen  nach seiner Fertigstellung eine Länge von etwa 35 km aufweisen. Das sind lediglich 2,5 Prozent des Rheintal-Radwegs von der Quelle bis zur Mündung und für einen Radler weniger als eine Tagesetappe.  Für die im Rheingau lebenden Menschen und deren Gäste führte die Asphaltierung des Leinpfades und dessen  Ausweisung als Fernradweg  jedoch zu einschneidenden Veränderungen. Und in diesem Sommer  präsentiert der Zeitgeist seine erste Rechnung: Angstfreie Spaziergänge und das unbeschwerte Herumtollen von Kindern auf dem Leinpfad, wovon die alten Rheingauer so gerne erzählen, gehören der Vergangenheit an. Die Geisenheimer wissen genau, warum sie ihren aussichtslos erscheinenden  Kampf um ein kleines Stück unverbauten Leinpfads nicht verloren geben wollen: Es geht um nicht weniger als ein Stück Rheingauer Lebensqualität.
Um diese Rheingauer Lebensqualität wenigstens auf dem stark frequentierten Leinpfadabschnitt zwischen Walluf und Eltville zu bewahren, entschied man sich diese Strecke nicht zu asphaltieren und den R3-Fernradweg hier nicht auf dem Leinpfad auszuweisen, obwohl es im Hinblick auf die Routenführung die einfachste Lösung gewesen wäre. Stattdessen legte man den R3 auf die beiden Radwege entlang der alten B 42. Eine vom Eltviller Magistrat eingesetzte Arbeitsgruppe  hatte sich einstimmig für diese Lösung ausgesprochen, die auch unser Verein seit Jahren unterstützt.  Die von uns in diesem Jahr durchgeführten Verkehrszählungen zeigen, dass auf den Radwegen neben der alten B 42 zwischen Eltville und Walluf deutlich mehr Radfahrer unterwegs sind als auf dem Leinpfad. Unser Verein bedankt sich bei all den Radfahrern, die sich dafür entschieden haben, den offiziellen Radweg anstelle des Leinpfads zu benutzen.
Mit einer Länge von nur 3 km beansprucht der Leinpfadabschnitt zwischen Eltville und Walluf weniger als ein Zehntel der Gesamtstrecke des am Rhein verlaufenden Radwegs im Rheingau. Unser Verein ist der Meinung, dass dieser Bereich an den Wochenenden von April bis September den Fußgängern vorbehalten sein sollte. Wir sehen es als eine Geste der Fairness und des Anstandes gegenüber den Fußgängern, ihnen diesen  Abschnitt nicht streitig zu machen.
Insofern bedauern wir die Äußerungen, die Herr Günther Tullius, ein RadreiseVeranstalter aus Duisburg, kürzlich im Wiesbadener Kurier veröffentlichte. Aus seiner Sicht hat der Leinpfad nämlich eine „kleine Macke“, und zwar den Abschnitt zwischen Eltville und Walluf. Dieser müsse auch noch befestigt werden, da sich die Radfahrer „von den Schildern des R3-Fernradwegs nicht auf die eigentlich vorgesehene Verkehrsführung oben auf die alte B 42 locken“ ließen. Wir nehmen Stellung zu der Veröffentlichung von Herrn Tullius, da er Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) ist und seine Aussagen dadurch eine höhere Gewichtung erfahren.
Zunächst ist festzustellen, dass an den Besprechungen der Eltviller RadwegeAG der erste und der zweite Vorsitzende des ADFC-Wiesbaden/RheingauTaunus Dr. Thomas Fuchs und Jan Prediger als sachkundige Berater teilnahmen. Die Vertreter des ADFC setzten sich immer dafür ein, dass der R3Fernradweg zwischen Eltville und Walluf entlang der alten B 42 und nicht auf dem Leinpfad verläuft. Und die Neu-Ausschilderung des R3 im letzten Jahr erfolgte durch den ADFC in Abstimmung mit der Hessenagentur.
Umso mehr überrascht uns nun die von Herrn Tullius vorgebrachte Forderung, auch noch den Leinpfadabschnitt zwischen Eltville und Walluf zu befestigen, um am Rhein eine durchgängige Fahrradpiste zu erhalten. Ein wenig ruft diese Forderung bei uns Erinnerungen wach an eine Textzeile von Jim Morrison (The Doors) in dem Song „When the Music’s over“: „We want the world and we want it now!“ Wollen die Radfahrer den Fußgängern im Rheingau aus dem 35 km langen Leinpfad allen Ernstes kein 3 km langes Refugium zugestehen, wo sie sich  mit ihren Familien und Gästen am Wochenende angstfrei bewegen können und wo sie die Schönheit des Rheinufers unbeschwert genießen können ohne im Gänsemarsch zu laufen?
Im Spätsommer des letzten Jahres befasste sich das Wochenmagazin „Der Spiegel“ in seiner 9-seitigen Titel-Story „Der Straßenkampf – Rüpel-Republik Deutschland“ ausführlich mit dem aggressiven Verhalten der Radfahrer. War jahrzehntelang das Auto das Maß aller Dinge, so drängen jetzt „die Fahrradfahrer nach vorn, selbstbewusst und aggressiv“, bestärkt durch „das Gefühl, moralisch überlegen zu sein, weil Fahrräder gut fürs Klima sind“. „Besonders bedroht fühlen sich Passanten.“ Der „Spiegel“-Artikel endet mit einem provokanten Vergleich: „Ein bisschen ist es wie mit den unterdrückten Schweinen in George Orwells „Farm der Tiere“. Nachdem sie sich befreit hatten, übernahmen sie alle schlechten Eigenschaften des zuvor herrschenden Bauern.“
Die von dem Fahrradaktivisten David Byrne in einem FAZ-Interview geäußerte Einsicht hat sich bei vielen Radfahrern leider noch nicht durchgesetzt: „Die Leute müssen verstehen, dass sie von gutem Benehmen selbst profitieren.“

Februar 2024

Januar 2024

Von |2017-05-13T22:02:37+02:00September 13th, 2012|Leinpfad|0 Kommentare