Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kunkel,

wie in der Pressemitteilung der Stadt Eltville vom 7. April 2020 angekündigt, wurde der Leinpfad für Radfahrer einheitlich auf der gesamten Strecke von Walluf bis Lorchhausen von Donnerstag, 14 Uhr bis Ostermontag, 20 Uhr gesperrt.

Die Sperrung war eine großartige Sache. Wie auch am Wochenende zuvor wurde es Fußgängern ermöglicht, den Leinpfad gefahrlos zu benutzen.
Gefahrlos im Sinne von: Nicht-zur-Seite-springen-müssen, wenn sich klingelnd von hinten ein Radfahrer nähert – oder auch von vorn, dann nicht klingelnd, nur rasend, denn der zu Fuß Gehende wird schon von allein merken, dass außer für den Radfahrer kein Platz auf dem Leinpfad ist.
Gefahrlos vor allem aber auch in Bezug auf das – seit dem Erlass der Dritten Verordnung des Landes Hessen zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 14. März 2020 – geltende Kontaktverbot.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung gilt, dass bei Begegnungen mit anderen Personen ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten ist.
An vielen Stellen ist der Leinpfad keine drei Meter breit – insbesondere auf dem Abschnitt zwischen Eltviller Burg und Walluf. Dort ist diese Vorschrift nur dann einzuhalten, wenn zwei aufeinander treffende Spaziergänger sich so weit am jeweils entgegengesetzten Rand des Weges bewegen, wie es der Abstand zu Uferböschung bzw. Mauern oder anderer Bebauung zulässt. Sobald es zu einem Zusammentreffen zwischen Fußgänger und Radfahrer kommt, ist dieser Mindestabstand nicht einzuhalten. Fahrradfahrer können sich nicht so nah an eine Mauer begeben wie Fußgänger – und sie versuchen es in aller Regel auch gar nicht. Noch problematischer wird es bei einer Begegnung zweier Radfahrer.

Laut der Pressemitteilung ist es Ihr Ziel, mit der Sperrung des Leinpfads für Radfahrer die Ausbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 zu verlangsamen, weil dadurch Menschenansammlungen vermieden werden können. Die erfolgten Sperrungen sind ein wichtiger, richtiger Schritt zur Erreichung dieses Ziels. Jedoch kann man dem Gesundheitsschutz erst dann wirklich genügen, wenn der Leinpfad während der gesamten Zeit der Kontaktbeschränkungen für Radfahrer gesperrt wird.

Schon um sicherstellen, dass es auf dem Leinpfad keine Verstöße gegen § 1 Abs. 2 der Dritten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus gibt, muss konsequenter Weise die Benutzung des Leinpfads für Radfahrer während der gesamten Geltungsdauer der Verordnung verboten werden.

Zudem gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass die Gefahr, sich bei einem vorbeifahrenden erkrankten Radfahrer mit Covid-19 anzustecken, noch in einem Abstand von 10 bis 20 Metern (je nach Tempo) besteht. Auf der Internetseite der Zeitschrift Focus hat die Deutsche Welle einen Bericht über eine Studie  der Universitäten Leuven und Eindhoven veröffentlicht, wonach bei sportlicher Betätigung ein Abstand von 1,5 Meter bei weitem nicht ausreichend ist (https://www.focus.de/gesundheit/news/gehen-joggen-radfahren-neue-studie-beim-sport-sind-bis-zu-20-meter-sicherheitsabstand-noetig_id_11871672.html). Nach den Erkenntnissen dieser Studie verbreiten sich die von den Sportlern ausgestoßenen Speichelpartikel in größeren Wolken hinter ihnen. Die Wissenschaftler empfehlen schon beim Gehen in die gleiche Richtung einen Abstand von mindestens vier bis fünf Metern einzuhalten, beim Laufen und langsamen Radfahren zehn Meter und bei schnelleren Bewegungen sogar mindestens 20 Meter.

Sehr geehrter Herr Kunkel, Sie haben sich in der Coronakrise bisher als der weitsichtigste aller Rheingauer Bürgermeister erwiesen und konkrete Maßnahmen ergriffen, als andere noch nicht einmal die Notwendigkeit von solchen erwogen. Seien Sie auch hier mutig und geben Sie den zu Fuß gehenden Bürgern und Bürgerinnen Eltvilles den Leinpfad zur sicheren Benutzung – zumindest während der Zeit Coronakrise, gern auch darüber hinaus. Damit der Leinpfad tatsächlich ein Ort der Erholung sein kann.

Da wir davon ausgehen, dass Sie sich in Bezug auf den Abschnitt des Leinpfads zwischen Eltville und Walluf mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt in Bingen abstimmen, werden wir dessen Leiter, Herrn Meßmer, ein inhaltsgleiches Schreiben übersenden.