Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.04.2019, Nr. 86, S. 49
Konsens, nachdem die Fetzen geflogen sind
Nach vier Jahren sieht es so aus, als könnten die Hessischen Staatsweingüter endlich eine Maschinenhalle bauen. Doch die Übereinkunft hat ihren Preis.

Von Oliver Bock

ELTVILLE. Vier Jahre nach der ersten Planung sieht es so aus, als könnten die Hessischen Staatsweingüter endlich die dringend benötigte Maschinenhalle bauen. Der vorgesehene Standort war bisher ein Politikum, um das lange gerungen wurde. Danach begann ein Streit um die Mehrkosten einer Verlagerung. Nun geht die Stadt Eltville um des lieben Friedens willen ins finanzielle Risiko. Aber auch für die Staatsweingüter wird die funktionale Halle ein teures Investment.

Das Weingut des Landes hatte nach einer Planung im stillen Kämmerlein schon im Sommer 2016 den Bauantrag eingereicht, um neben der Domäne Rauenthal inmitten der Weinberge eine 60 mal 20 Meter große Halle zu errichten. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Aussiedlung von Winzern und den Schutz der Kulturlandschaft gerieten die Staatsweingüter Anfang 2017 aber schwer in die Defensive, obwohl sie die Baugenehmigung schon vorliegen hatten. Doch der politisch besetzte Aufsichtsrat der Staatsweingüter schreckte davor zurück, nach der heftig umkämpften Steinberg-Kellerei ein weiteres Mal als Landschaftszerstörer dazustehen.

Dies umso mehr, als die Stadt Eltville, wenn auch verspätet, starke Vorbehalte artikuliert hatte. Diese fanden im Baugenehmigungsverfahren zwar kein Gehör, wohl aber in der Öffentlichkeit. Bürgermeister Patrick Kunkel (CDU) warb dafür, ein solches Vorhaben beispielgebend für den gesamten Rheingau einvernehmlich zu organisieren. Er brachte ein von Hecken und Bäumen bewachsenes Grundstück hinter dem Übungsgelände des örtlichen Hundevereins am Ortsausgang in Richtung Martinsthal als Alternative ins Spiel.

Die Staatsweingüter, die ursprünglich rund eine Million Euro investieren wollten, ließen sich darauf ein und spekulierten auf einen schnellen Baubeginn im Herbst 2017. Ein kapitaler Fehler, wie sich herausstellen sollte. Denn nun begannen die Schwierigkeiten im Detail. Im Sommer 2017 wurde klar, dass es nichts werden würde mit dem Wunsch, das Areal zum gutachterlich ermittelten Wiesenpreis von 2,51 Euro je Quadratmeter zu kaufen und schnell zu bauen, während die Stadt die Erschließung übernimmt. Denn Kunkel plante eine umfassendere Erschließung des Areals, um noch Platz für weitere Maschinenhallen-Projekte ortsansässiger Winzer zu entwickeln.

Hintergrund war unter anderem die Angst vor dem Vorwurf, die Staatsweingüter würden bevorzugt. Doch damit stiegen die Erschließungskosten. Erst war von 32 Euro je Quadratmeter die Rede, dann von 70 Euro. Hinzu kamen noch weitere 60 bis 70 Euro je Quadratmeter für die schwierige Gründung des Baus, weil es sich um eine ehemalige Müllhalde handelt.

Im Aufsichtsrat der Staatsweingüter brodelte es. In Eltville kursierten Gerüchte, die Halle entstehe nun doch am Baiken oder an einem ganz anderen Standort. Im Eltviller Rathaus sollen bei Gesprächen hinter verschlossenen Türen die Fetzen geflogen sein. Aus dem Teilnehmerkreis ist von einer "rustikalen" Atmosphäre die Rede. Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) soll Kunkel unter anderem "Wortbruch" vorgeworfen haben.

Am Ende knickte Kunkel offenbar ein, seither versucht er den Kompromiss positiv zu verkaufen. Die Staatsweingüter werden aus Kostengründen reduzieren und statt 5500 Quadratmetern nur ein 3632 Quadratmeter großes Areal zum Wiesenpreis von 2,51 Euro je Quadratmeter kaufen. Hinzu kommen 19 Euro je Quadratmeter für die Erschließung als sogenannter Gebietsentwicklungsbeitrag. Unter dem Strich ergeben sich Mehrkosten gegenüber dem Standort im Baiken von rund 120 000 Euro.

Wegen des Zeitablaufs und der stark gestiegenen Baupreise werden die Staatsweingüter gleichwohl 1,62 Millionen Euro ausgeben müssen statt der vor vier Jahren kalkulierten 1,1 Millionen. Auch wenn der Betrag langfristig finanziert wird, belastet er die Bilanz der Staatsweingüter. Belastet wird auch die Stadt, die eine kostspielige Erschließung vorfinanziert hat, ohne zu wissen, ob und wie viel Geld sie beim Verkauf für Winzerhallen und Gewerbe wieder erlösen wird. Dazu wird sich Kunkel wohl noch einige Fragen gefallen lassen müssen.
 
Bildunterschrift: Minimalschnitt: Für Maschinen wie diesen umgebauten Vollernter wollen die Staatsweingüter eine neue Halle am Ortsrand von Eltville bauen.

Foto Michael Kretzer
Alle Rechte vorbehalten © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main 
Vervielfältigungs- und Nutzungsrechte für F.A.Z.-Inhalte erwerben Sie auf www.faz-rechte.de