Symposium: Braucht der Rheingau ein Landschaftsschutzgebiet? Unsere Antworten aus den Beiträgen der Podiumsteilnehmer:
Andreas Kowol (Leiter Dezernat Umwelt-Grünflächen-Verkehr, Wiesbaden) sagt ja!!
Der Druck des Rhein-Maingebietes auf den Rheingau wächst. Die Entwicklung des Rheingaus geht weiter, nur eine Entwicklung der Region mit hohen Qualitätsansprüchen kann eine Zerstörung der Kulturlandschaft aufhalten. Dazu gehört nach seiner Auffassung die Verhinderung von “Bandstädten”, eine kontrollierte Aussiedlung im Außenbereich und eine hochwertige Ausführung. Ein Landschaftsschutzgebiet -mit einer Aufteilung in verschiedene Schutzzonen- ist ein hervorragendes Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Warum ist dies so und warum gelingt dies in Wiesbaden besser gelingt als im Rheingau?
Einstimmig haben alle Gremien in Wiesbaden für die Wiedereinführung eines LSG (Wiedereinführung 2010) gestimmt, denn mit einem Landschaftsschutzgebiet im Rücken müssen Veränderungen am Landschaftsbild anders bewertet werden und können so besser gesteuert werden. Begeistert war der RP nicht, hatte er doch gerade einige LSG abgeschafft. Hier die Erklärung, warum dies in Wiesbaden so gut funktioniert: Wiesbaden ist eine kreisfreie Stadt und alle Entscheidungsträger sitzen unter dem Dach einer Verwaltung, ziehen also quasi an einem Strick. Und dass, obwohl das Bauen im Außenbereich in der Wiesbadener Verordnung ausdrücklich nicht verboten ist! Die Begeisterung für dieses Verfahren war dem überzeugten Rheingauer Andreas Kowol anzumerken und übertrug sich auf das Publikum. Er ließ keinen Zweifel daran, dass ein Landschaftsschutzgebiet für den Rheingau eminent wichtig sei, denn es wird damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine schützenswerte Region handelt, ein Faktor, der bei der Beurteilung von Verfahren, wie dem Bauen im Außenbereich, großes Gewicht hat.
Im Rheingau sind hier die Voraussetzungen zur Wiedereinführung schwierig. Dies liegt an den unterschiedlichen, eigenständigen Kommunen mit eigenen Vorstellungen und an der Abstimmung mit dem Kreis. Es bedarf eines gemeinsamen politischen Willens, wie er andeutungsweise in der Erklärung des Zweckverbandes zum Ausdruck kommt. Doch auch dann, so Dr. Mödden, der Dezernatsleiter für Bauaufsicht und Denkmalpflege ist dies ein langwieriger Verfahrensprozess.
2006 wurde das Landschaftsschutzgebiet  „Rhein Taunus“ vom Regierungspräsidium Darmstadt aufgehoben. Begründet wurde dies mit einer inzwischen etablierten naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, sowie mit dem gesetzlichen Biotopschutzes. Zudem lägen mit dem europäischen Naturschutzrecht ausreichende gesetzliche Vorschriften vor. Diese Begründung ist nach Einschätzung von Frau Dr. Cambeis falsch. Die Richterin von der südlichen Weinstraße ist in ihren Äußerungen allgemein sehr abwägend, dieser Fall war für sie aber eindeutig, da es sich bei diesen Vorschriften um Arten- und nicht um Landschaftsschutz handelt. Warum der RP unter Ministerpräsident Koch das LSG tatsächlich abgeschafft wurde, war spekulativ. Hatte dies etwas mit den Staatsweingütern zu tun, oder war es tatsächlich die Vielzahl von großflächigen Landschaftsschutzgebieten, wie der RP anführt?
Dem widersprach Helmut Quermann vom Stadtbildverein und er führte aus, „Der Flächenanteil der Landschaftsschutzgebiete an der Gesamtfläche in Deutschland beträgt 28,5 %. Den geringsten Flächenanteil weist Hessen aus, mit 9,8%, danach folgt Schleswig-Holstein mit 16,5%, danach Niedersachsen mit 20,1%“ (Quelle Wikipedia). Es mutet grotesk an, dass der Rheingau mit höchster Dichte an Kulturdenkmälern bislang keinen Schutzstatus aufweist, jedoch von geschützten Bereichen – teilweise mit hohem internationalen Schutzstatus – vollständig umgeben wird, nämlich Europareservat Inselrhein nach dem Ramsar-Abkommen, UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal, Landschaftsschutzgebiet Stadt Wiesbaden, Landschaftsschutzgebiet „Rheinhessisches Rheingebiet“ mit Ausdehnung vom Worms bis Bingen, sowie Rheingauer  Hinterlandeswald.   Doch was würde uns ein Landschaftsschutzgebiet bringen?
1116 Seiten umfasst die Denkmaltopographie des Rheingaus, die Frau Söder vom Hessischen Landesamt für Denkmalpflege erstellt hat. Die Touristen des Rhein-Maingebietes strömen in den Rheingau, weil es hier so schön ist. Diese Kulturlandschaft soll nicht schützenswert sein? Helmut Quermann vom Stadtbildverein Eltville kann sich ein Landschaftschutzgebiet Rheingau entsprechend der Wiesbadener Verordnung vorstellen. In einer solchen Verordnung ist der Schutzzweck umfassend zu definieren und so zitiert er aus der Landschaftschutzverordnung Wiesbaden:
Schutzzweck
(1) Zweck der Unterschutzstellung in Zone I und II ist
– die nachhaltige Sicherung und Wiederherstellung der von einer land- und forstwirtschaftlichen
Nutzung geprägten Kulturlandschaft wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes,
wegen ihrer besonderen kulturhistorischen Bedeutung und für den Schutz des Naturhaushalts;
– die Erhaltung der großen zusammenhängenden Waldgebiete als Lebensraum für Tiere und
Pflanzen, für den Ressourcenschutz und die landschaftsgebundene Erholung; usw.
Dieser Schutzzweck lässt sich 1:1 auf den Rheingau übertragen. Helmut Quermann vertritt die Auffassung, dass die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes in der Weinbauregion Rheingau durch Verordnung essentiell ist, um diesem Landstrich zwischen Rhein und Kamm des Rheingaugebirges wegen seiner Vielfalt, Eigenart  und Schönheit, sowie wegen seiner der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft zu schützen. Unter dem Aspekt dieses Schutzzwecks muss dieser Landstrich für jetzige und folgende Generationen erhalten werden. Hierunter ist nicht nur das Aussiedeln von Winzerbetrieben in den Außenbereich  zu verstehen, sondern auch sonstige planerische Maßnahmen, insbesondere der Kommunen, die zu einer Zersiedelung des Rheingaus führen, wie Siedlungsbänder ohne erkennbare Struktur der Ortsteile, oder aber durch Baumaßnahmen, beispielsweise Windenergieanlagen, die den Kamm des Rheingaugebirges nachteilig beeinflussen.
Zeit für klare Worte – der Stadtbildverein:
Helmut Quermann fordert:
• Freihaltung des Kammes mit dem Rheingaugebirge von einer Bebauung
• Bauen im Außenbereich ja, aber unter kritischer Abwägung und Begleitung von Fachbehörden. Dies fordern wir seit 2016.
• Keine Bandstädte im Rheingau
Der Schutz der Kulturlandschaft und seine qualitativ hochwertige Entwicklung ist unser oberstes Ziel. Dazu dient dieses 2. Fachsymposium des Vereins. Es soll helfen unsere Positionen sachlich und fachlich fundiert zu untermauern, Informationen zu vermitteln, und durch kritische Äußerungen neue oder veränderte Erkenntnisse  zu erhalten. Diese Ergebnisse erfahren Sie am Ende der Berichterstattung. Zunächst streifen wir noch einmal den § 35 des BauGB zum Bauen im Außenbereich.
Nicht nur Herr Dr. Mödden hätte gerne eine klare Aussage von der Juristin gehört: Verbietet sich das Bauen im Außenbereich wenn man ein Landschaftsschutzgebiet hat, oder nicht? „Nein, es verbietet dies nicht, aber es hilft zu steuern, als ein Baustein unter vielen, die verantwortlich geprüft werden müssen.“  Auf die Frage, ob der § 35 des BauGB nicht den Außenbereich vor Bebauung schützen soll antwortet sie: „früher war das so, doch durch die vielfältigen Rechtsprechungen sind die Vorschriften heute schon sehr aufgeweicht, sodass zum Beispiel der für das Bauen im Außenbereich zuständige § 35 des BauGB inzwischen fünf Seiten umfasst. Es geht aber der Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereiches.
In diesem Zusammenhang wurde die dienende Funktion der mitgezogenen Nutzung eines Bauvorhabens im Außenbereich erörtert (z.B.Eventlokation). Kritisiert wurde am Beispiel des Weingutes Hirt Gebhardt, dass die Eventlokation in vollem Gange sei, aber vom eigentlichen Winzerbetrieb nichts zu sehen sei. Dazu erläuterte Herr Dr. Mödden man könne grundsätzlich davon ausgehen, dass die Behörde sorgfältig geprüft, dass es Gründe gäbe warum der betriebliche Teil zur Traubenverarbeitung etc. nach 3 Jahren noch nicht fertig gestellt sei. Frau Dr. Cambeis führte aus, dass nach Ihrer Auffassung fraglich sei, ob die mitgezogene Nutzung vor der Hauptnutzung in Betrieb gehen darf und dem nachgezogenen, dienenden Teil (Event Location) nicht die Genehmigung entzogen werden müsse. Sie forderte Dr. Mödden auf dies zu prüfen. Eindeutig auch die Aussage der Juristin, das eine Gaststätte, wie beim Weingut Keßler, nicht am privilegierten Bauen teilnimmt und deshalb nicht unter den § 35 fällt und anders hätte bewertet werden müssen. Welche Positionen Winzer für und gegen das Bauen im Außenbereich einnehmen, dazu nahm Teresa Breuer als Winzerin Stellung.
Frau Teresa Breuer hat sich bewusst dafür entschieden  Ihren Winzerbetrieb im Innenbereich weiter zu entwickeln. Sie wies auf die Schwierigkeiten hin, die derartige Genehmigungsverfahren mit sich bringen, allerdings habe sie den Vorteil der fußläufigen Kundschaft und sehe sich in der Verantwortung den Charakter eines Weindorfes zu erhalten.  Wenn man sich für eine Aussiedlung entscheidet, dann ist das eine strategische Entscheidung bei der Weinvermarktung. Sie könne dies verstehen, da viele Gründe, die im Innenbereich problematisch sind, wie Imission oder Parkplätze hier weniger ins Gewicht fallen. Allerdings sollte man sich auch der besonderen Verantwortung für die Kulturlandschaft  bewusst sein. Diese Anwesen sollten nicht „mutfrei“ gestaltet werden.
„Mutfreie Ausführung“, diese Aussage veranlasste die Zuschauer Hartmut Fischer vom Rheinischen Verein und Andreas Wennemann als Geschäftsführer des Naturpark Rhein-Taunus zu dem Diskussionsbeitrag, dass das Kriterium einer hochwertigen Bauausführung stärker in den Fokus der prüfenden Behörden gerückt werden müsse. Eine Gestaltungssatzung könne dies regeln. Herr Wennemann nimmt in seiner Funktion als Träger öffentlicher Belange regelmäßig Stellung zu landschaftswirksamen Vorhaben und plädiert für ein Gesamt-LSG- Rheingau-Taunus.
Auf die Frage:“ Sollte nicht der Kreis das LSG beantragen? Fehlt der politische Wille?“ wird die Antwort von Dr. Mödden, an den im Saal anwesenden Mathias Hannes weitergeleitet. Herr Hannes hat als Mitglied des Zweckverbandes Rheingau einen Antrag gestellt und einen   Beschluss erwirkt, in dem die Kommunen gebeten werden ein Landschaftsschutzgebiet zu beantragen. Ihm kommt es (neben der Steuerung der Aussiedlungen) darauf an, die Lebensqualität im Rheingau zu sichern  – das möchte er auch durch ein LSG erreichen. Ralf Bachmann, im Rheingau-Taunus-Kreis für Wirtschaftsförderung zuständig, ergänzte,  dass die Winzer die Kulturlandschaft gestalten. Er begrüßt den Ansatz der Veranstaltung, dass es um Gestaltung gehe, um die Suche nach Lösungen mit den Winzern – nicht um Verhinderung von Vorhaben. Die Kommunen sollten Flächen für Aussiedlungen bereit halten.
Fazit des Symposiums: JA!!! Einführung eines umfassenden Landschaftsschutzgebietes! Ein LSG schützt unsere Kulturlandschaft. Der Appell des Zweckverbandes, die Resolution von Oestrich-Winkel, aber auch der Eltviller Weg sind wichtige Signale, dies muss zum „Großem Ganzen“ zusammengeführt werden.
Der Stadtbildverein hat den Spirit des Symposiums aufgenommen und Erkenntnisse gewonnen, die ihn äußerst ermutigen sich auf allen politischen Ebenen  und vor dem Hintergrund weiterer gesetzlicher Bestimmungen zu informieren und weiter zu engagieren.