Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.01.2018, Nr. 14, S. 37
Weinbaupräsident verteidigt Aussiedlungen von Betrieben in die Reblagen
obo. RHEINGAU. Der Rheingauer Weinbauverband nimmt seine Mitglieder gegen den Vorwurf in Schutz, durch die Aussiedlung und den Neubau von Weingütern in den Weinbergen der Kulturlandschaft Schaden zuzufügen. Das Wachstum erfolgreicher Betriebe, Beschwerden von Anwohnern und Umwelt-Auflagen für Standorte in den Ortschaften seien Auslöser für die Suche nach neuen Produktionsstandorten. Die gesetzlichen Regelungen zur Aussiedlung seien ausreichend und gewährten den Kommunen durchaus die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Das zeige das Beispiel der Staatsweingüter und ihrer neuen Maschinenhalle, für die gemeinsam mit der Stadt Eltville ein adäquater Standort gefunden worden sei. Verbandspräsident Peter Seyffardt lenkt den Blick der Kritiker dagegen auf die Kommunen. Diese hätten seit 1984 mehr als 160 Hektar Rebland für Wohn- und Gewerbeflächen sowie Straßen freigegeben. Seyffardt attackierte insbesondere Geisenheim, durch dessen Pläne für eine Erweiterung des Gewerbegebiets "massiv in die Weinbergslandschaft" eingegriffen werde. Überraschend kündigte Seyffardt an, den 1999 eingeführten und gesetzlich geschützten Begriff "Erstes Gewächs" wieder aufzugeben und die trockenen Spitzenweine künftig als "Große Gewächse" zu vermarkten. Der Weinbauverband erkennt damit den Erfolg der 200 Mitglieder des Verbands der Prädikatsweingüter (VDP) an, deren "Großen Gewächse" inzwischen im Weinmarkt etabliert sind. Die Trennung der Weinbezeichnungen zwischen den Rheingauer Prädikatsweingütern und den Weingütern, die nicht dem VDP angehören, soll damit aufgehoben werden. Die Wirkung der Landesweinprämierung will der Weinbauverband durch ein neues Bewertungsschema im international gebräuchlichen 100-Punkte-System, eine zusätzliche Kategorie für hochwertige trockene Weine und den Umzug der öffentlichen Weinpräsentation ins neue Wiesbadener Kongresszentrum stärken. Den Zustand des Weinmarktes bezeichnet Seyffardt nach der unterdurchschnittlichen Ernte 2017 mit nur 59 Hektoliter je Hektar - der Zehnjahresdurchschnitt liegt bei 72 Hektoliter - als stabil. Die Fassweinpreise, die Kellereien zahlen, seien mit bis zu 1,80 Euro je Liter vergleichsweise hoch. Der Jahrgang habe trotz aller Schwierigkeiten wegen Spätfrösten, Hagel und Fäulnis "durchweg gute bis sehr gute Weine" hervorgebracht. Eine hohe Weinqualität wünscht sich auch Landwirtschaftsministerin Priska Hinz (Die Grünen). Dies sei ganz im Sinn der Verbraucher. Hinz kündigte auf der Winterfachtagung des Weinbauverbands in Oestrich-Winkel an, die Förderung des Steillagenweinbaus, der Umstrukturierung von Rebflächen, Investitionen in Vermarktung und Kellerwirtschaft sowie der chemiefreien Bekämpfung von Schädlingen fortsetzen zu wollen. Die Winzer müssten ihre Arbeit im Weinberg aber auch daraufhin überprüfen, ob sie den Anforderungen an einen wirksamen Schutz des Grundwassers genügen. Die Ziele der Wasserrahmen-Richtlinie seien noch nicht erreicht. Hinz nannte den Erhalt der Kulturlandschaft "ein wichtiges und erklärtes Ziel unserer Agrarpolitik". Bedeutsam war gestern die Zusage von Hinz, dem Weinbau in Steillagen aus ökologischer und naturschutzrechtlicher Sicht einen höheren Stellenwert zuzumessen. Die Neupflanzung von Reben nach einer bis zu zehn Jahre währenden Brachzeit könne sogar eine Verbesserung der naturschutzrechtlichen Bilanz zur Folge haben. Den Winzern bleiben in diesem Fall Ausgleichszahlungen oder Ausgleichsmaßnahmen erspart. Die Anlage eines neuen Weinbergs muss somit nicht als Eingriff in Natur und Landschaft ausgeglichen werden.