Im Rheingau ist es so, dass die meisten reichen Weinbauern nicht diejenigen sind, die den besten Wein herstellen, sondern vielmehr solche, die die meisten Weinberge als Bauland verkauft haben! Dies erschließt sich auf Anhieb, wenn man bedenkt, dass aus einem Quadratmeter Weinbergland jedes Jahr nur eine Flasche Wein hergestellt werden kann. Bei einem Verkaufspreis von 500 Euro pro Quadratmeter bräuchte ein Winzer mehrere Generationen und Jahrhunderte um einen vergleichbaren Gewinn zu erwirtschaften.
Diesen Umstand betonte bereits vor 50 Jahren Erich Kapitzke, dem für die Rettung des Eltviller Rheinufers der Bundesverdienstorden am Bande und als erstem Deutschen der Nationalpreis für Denkmalschutz und die damit verbundene Trägerschaft des Karl-Friedrich-Schinkel-Ehrenrings verliehen wurde: „Kapitzke wirft den Winzern vor, Weinberge der allerbesten Güteklasse zu Baulandpreisen verkauft und dadurch Gewinne von vielen Millionen DM erzielt zu haben. Und er fährt fort: Was uns brennend interessiert, ist, wie eine Gruppe, die handfeste Interessen verfolgt, seit Jahren den Bau einer Autobahn im Norden der Stadt trotz großzügiger Entschädigungsangebote mit dem genauso scheinheiligen wie falschen Argument verhindert, die Hergabe von Weinbergsgelände gefährde die Existenz der Winzer.“ (Zitat aus der Broschüre „Der Fall Eltville“, herausgegeben vom Stadtbildverein Eltville im Jahr 2014, anlässlich der Eröffnung der Umgehungsstraße B42 vor 25 Jahren)
Insofern ist es geradezu grotesk, wenn der Rheingauer Weinbauverband durch seinen Präsidenten Peter Seyffardt den Eindruck zu erwecken versucht, die Umwandlung von Rebflächen in Bauland sei den Weinbauern gegen deren Willen aufgezwungen worden. In einer Pressemitteilung des Weinbauverbandes heißt es, dass „die Kommunen im zurückliegenden Vierteljahrhundert dem Weinbau mehr als 160 Hektar Rebfläche entzogen“ hätten. Hier wird suggeriert, die Winzer seien quasi zwangsenteignet worden.
Dabei ist hinreichend bekannt, dass die Ausweisung immer neuer Wohnbaugebiete in erster Linie durch die Weinbauern vorangetrieben wurde und wird. Dies führte im Rheingau in den vergangenen Jahrzehnten zu gewaltigen Fehlentwicklungen. In Eltville fehlen aus diesem Grund beispielsweise ausreichend Gewerbeflächen; denn die Ausweisung von Baugebieten für Wohnzwecke ist um ein Vielfaches lukrativer. Geradezu unsinnig ist auch die terminliche Abwicklung. So wurden in Eltville allein in den letzten Jahren neue Wohnungen für viele Hundert Familien mit Kleinkindern geschaffen. Während man sich in Eltville für diese Bevölkerungsexplosion feiert, spricht man beim Kreis und in der Landesverwaltung vom Eltviller Bauwahn. Schließlich mussten mit enormem finanziellen Aufwand die baulichen und personellen Bedingungen geschaffen werden, um die Kinder zu betreuen und zu unterrichten. Und schon in wenigen Jahren werden die überdimensionierten Kapazitäten herhalten, um wiederum neue Wohnbaugebiete zu fordern.
Bei allen Neubaugebieten der Vergangenheit wurde zudem so verfahren, dass die zusätzlichen Kosten für infrastrukturelle Maßnahmen – vom Kindergarten bis zur Abwasserentsorgung – von der Allgemeinheit getragen wurden (einzige Ausnahme: Kiedrich). Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der Weinbauverband an der Praxis der letzten Jahrzehnte festhalten möchte und jeglichen Forderungen nach einem wirkungsvollen Schutz der heimischen Landschaft eine klare Absage erteilt.
Auslöser der Diskussion waren neben den landschaftszerstörenden Aussiedlungsprojekten im Eltviller Sonnenberg und in Hallgarten vis-à-vis des Steinbergs vor allem die 70 Meter lange Werkstatthalle der Staatsweingüter inmitten des Rauenthaler Bergs. Die Antwort der Rheingauer Winzer auf diese Landschaftszerstörungen ist recht ernüchternd: Sie bestehen darauf, die Standorte für ihre Aussiedlungsprojekte auch künftig selbst festzulegen und sich dabei von Niemandem reinreden zu lassen. Und sie bestehen auch darauf, weiterhin selbst zu entscheiden, was an den Standorten inmitten der Weinberge gebaut wird, seien es nun Fabrikhallen, hotelartige Anlagen oder Event-Locations mit Parkplätzen. Im Rheingau hat sich zudem gezeigt, dass solche Projekte gerne als Eckpunkte für künftige Arrondierungen herangezogen werden, was zur Folge hat, dass die unbebauten eigenen Weinbergsflächen um das Aussiedlungsprojekt in Wohnbauland umgewandelt werden.
Dies gilt es wirkungsvoll zu verhindern durch die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten, in denen solche landschaftszerstörenden Projekte tabu sind.