„Die Fakten sprechen für sich. Um die Emotionen muss man sich kümmern“, sagte Norbert Wolter (Grüne)
anlässlich der Gründungsveranstaltung der „Energiezukunft Rheingau“, deren Hauptanliegen der Bau von
Windkraftanlagen auf dem Kamm des Rheingaugebirges ist. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Herr
Wolter davon Abstand nähme, sich um unsere „Emotionen“ – gemäß Duden gleichbedeutend mit
Gemütsbewegung und seelischer Erregung – zu kümmern, auch wenn es dabei nur um Heimatgefühle
geht. Gemäß Herrn Ralf Bachmann (SPD), Eltviller Stadtverordneter und persönlicher Referent von Landrat
Albers (SPD), ist der Bau von WKA auf dem Kamm des Rheingaugebirges „gerade in Eltville deshalb
angesagt, weil der Bürgermeister offensichtlich nicht in der Lage oder willens ist, eigene und geeignete
Sparvorschläge zu entwickeln.“ Mit anderen Worten: Weil Bürgermeister Kunkel nicht wirtschaften kann,
müssen auf dem Taunuskamm WKA gebaut werden. Diese dümmliche Argumentation erinnert uns an den
alten Witz von dem Bauern, der seine letzte Kuh in Zahlung gibt, um sich eine Melkmachine leisten zu
können. Wir schlagen vor, dass sich die „Energiezukunft Rheingau“ einmal ganz emotionslos mit der
touristischen Zukunft des Rheingaus befasst und sich klarmacht, dass die Einnahmen aus dem Betreiben
der WKA nicht einmal ausreichen, um damit das Touristenbüro der Stadt Eltville zu finanzieren.
Der Vorstand unseres Vereins hatte sich in den vergangenen Jahren bei verschiedenen städtebaulichen
Themen mit Herrn Bachmann ausgetauscht und wir haben ihn als einen intelligenten und
aufgeschlossenen Gesprächspartner schätzen gelernt. Umso mehr enttäuscht uns nun sein Ansinnen, den
Rheingauer Bürgern nahebringen zu wollen, dass alle Landschaften gleich wertvoll und somit für den Bau
von Windkraftanlagen gleich gut geeignet seien. Die Prüfung der Landschaftsverträglichkeit solle
emotionslos und ergebnisoffen durchgeführt werden und man könne nicht von vornherein sagen:
„Windräder sollen da gebaut werden, wo es nicht so schön ist wie bei uns.“
Offensichtlich hat Herr Bachmann vergessen, dass aus den Reihen der SPD viele der Meinung waren, der
Rheingau sollte zusammen mit dem Mittelrheintal in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes
aufgenommen werden, gerade weil der Rheingau eben keine alltägliche Landschaft ist, sondern etwas
ganz Besonderes. Wie das Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal zeichnet sich der Rheingau durch ein
überragendes optisches Gesamtbild aus. Werden solche Landschaften nur dann vor
„Landschaftsvandalismus“ bewahrt, wenn die UNESCO ihre schützende Hand darüber hält ?
„Der Rheingau gehört zu den bemerkenswertesten Kulturlandschaften Deutschlands“, darauf wies erst vor
wenigen Tagen der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz hin. Historische
Kulturlandschaften von solch besonderer Schönheit und Eigenart sind zu erhalten und zu schützen.
Beispielhaft möchten wir die den Rheingau prägenden Klöster anführen. Was dem Mittelrheintal seine
Burgen, das sind dem Rheingau seine Klöster. Mit zwölf Klöstern verfügt der Rheingau über die höchste
„Klosterdichte“ in Deutschland – möglicherweise sogar weltweit. Die drei bekanntesten sind die Abtei St.
Hildegard in Eibingen sowie die Klöster Eberbach und Johannisberg (heute Schloss Johannisberg). Die
beiden letztgenannten waren von solch außerordentlicher Bedeutung für den Weinbau in Mitteleuropa
wie kein anderes Kloster. „Die Taunushöhen mit ihrer charakteristischen Silhouette bilden einen
beeindruckenden Rahmen“ für die Rheingauer Klosterlandschaft.
In seinem Jahrbuch 2012 berichtet der Rheingau-Taunus-Kreis voller Stolz, dass „die touristisch
abgeleiteten Einkommenseffekte mit 165 Millionen Euro zum Volkseinkommen in der Region“ beitragen
und dass allein die Kommunen „mit Steuerzuflüssen in Höhe von 7,4 Millionen Euro profitieren“. Im
Rheingau spielt der Tourismus eine über das übliche Maß hinausgehende Rolle als Wirtschaftsfaktor, da
hier Tourismus und Weinwirtschaft sehr eng miteinander verknüpft sind. Ist den Befürwortern der WKA
auf dem Kamm des Rheingaugebirges denn nicht bekannt, dass die Winzer im Rheingau vornehmlich
Direktvermarkter sind ? Das bedeutet, dass sie in hohem Maße darauf angewiesen sind, dass Weintrinker
persönlich hierher kommen und hier Wein kaufen. Haben die WKA-Eiferer denn schon einmal emotionslos
über die Auswirkungen der WKA auf den Tourismus und die Weinwirtschaft nachgedacht und die
finanziellen Einbußen mit Zahlen unterlegt ?
Die Marke „Kulturland Rheingau“ wurde ins Leben gerufen, um mit der Schönheit und Einmaligkeit dieser
historisch gewachsenen Kulturlandschaft zu werben. Der Zweckverband Rheingau und der
Weinbauverband geben hierfür Millionenbeträge aus. 200 Meter hohe Windräder auf dem Taunuskamm,
die die Strahlen der untergehenden Sonne schreddern und deren blinkende Rotlicht-Beleuchtung dem
Rheingau bei Dunkelheit den Charakter einer kilometerlangen Start- und Landebahn verleiht, würden
solche Maßnahmen konterkarieren.
Bei der aktuellen Diskussion um die WKA auf dem Taunuskamm sehen wir Parallelen zu dem Kampf um
den Verlauf der Eltviller Umgehungsstraße. Unser Verein bereitet derzeit eine Festschrift anlässlich der 25-
jährigen Fertigstellung der Nordumgehung vor. Bei der Sichtung der historischen Quellen mussten wir
feststellen, dass es Menschen gibt, die mit den Begriffen Kulturgut und Kulturlandschaft nichts anzufangen
wissen und denen man die Bedeutung der dahinter stehenden Werte auch nicht vermitteln kann. Weder
in der Eltviller Rheinuferlandschaft noch in der historischen Eltviller Altstadt vermochten sie Schützenswertes
zu erkennen. Sie kämpften jahrelang unverdrossen für eine Rheinuferautobahn auf der Eltviller
Rheinpromende. Der Journalist und Gründungsherausgeber der FAZ Karl Korn beklagte dieses
„Banausentum“ in zahlreichen Artikeln und bezeichnete die Auseinandersetzung mit den Unbelehrbaren
zutreffend als „Kulturkampf“. „Denn man kann nur das schützen und erhalten, was man zuvor als
schützens- und erhaltenswert erkannt hat.”
Letztendlich ging es bei dem „Kampf um die Erhaltung der Kulturlandschaft am Rhein“ um
„Grundsätzliches, nämlich um die Abwendung des den Ruf und das Niveau der Stadt Eltville zerstörenden
Vorhabens, unsere Stadt radikal vom Rheinstrom durch den Bau einer hochgelegenen 4- bis 6-spurigen
Autobahn zu trennen“, wie Erich Kapitzke 1987 ausführte. „Die Jahrhunderte alte Stadt“ war bedroht,
„aber auch alles zu verlieren, was sie so liebenswert macht“ (FAZ, 1987). Diese Aussagen sind
brandaktuell, man muss nur „Rheinuferautobahn“ durch „Windkraftanlagen“ und „Eltville“ durch
„Rheingau“ ersetzen.
Beim Kampf für die Rheinuferautobahn hatten nur SPD und Grüne die Reihen fest geschlossen.
Abweichler wie der aufrechte Dieter Sälzer (SPD) wurden parteiintern massiv unter Druck gesetzt. Die
Eltviller Nordumgehung wurde gebaut „gegen den Willen der Grünen im Hessischen Landtag, die ihre
Zusammenarbeit mit der SPD vom Verzicht auf die Nordumgehung B 42 abhängig gemacht haben.
Vermutlich ist keiner von ihnen Eltviller.“ (Wolfgang Boller in der Zeit, 25.5.1984) SPD und Grüne
reagieren äußerst gereizt, wenn sie an solche Fehleinschätzungen und ihre mangelnde Sensibilität im
Hinblick auf schützenswerte Kulturgüter erinnert werden.
Unser Verein lehnt den Bau von WKA auf dem Kamm des Rheingaugebirges genauso entschieden ab, wie
unser Vorgängerverein den Bau der Rheinuferautobahn auf der Eltviller Promenade abgelehnt hat.