Der Leinpfad zwischen Eltville und Walluf ist etwas Besonderes. Er unterscheidet sich von anderen Wegen, die am Rhein entlangführen. Er ist kein eintöniges, steriles Asphaltband, sondern ein abwechslungsreicher und faszinierender Pfad, auf dem man sich auch mal die Schuhe schmutzig machen kann. Der Leinpfad zwischen Eltville und Walluf ist eine Oase der Ruhe im hektischen Rhein-Main-Gebiet. Ganz bewusst hat man hier alle Radwege vom Rheinufer weggeführt. Viele Spaziergänger suchen hier Erholung und Entspannung. Sie spüren, dass hier ein anderer Geist herrscht.
Von Wiesbaden kommend betritt man am Ortsausgang von Walluf diese bezaubernde Welt. Kürzlich beschäftigte sich Wallufs Gemeindevertretung mit der Neugestaltung eines kleinen Platzes an dieser Stelle und fasste einstimmig den Beschluss, der Zweckverband möge dieses „Leinpfadplätzchen“ mit einem Bronzerelief auf einem Sandsteinsockel aufmöbeln, das den Verlauf des Rheins von Walluf bis Lorchhausen zeigt. Darüber hinaus wünscht man sich eine etwa 2,80 Meter lange plastische Darstellung eines Lastfährbootes sowie Sitzstufen und Bänke. Es fällt auf, dass diese Gestaltungsvorschläge nahezu identisch sind mit den Ideen, die man – 4 Kilometer weiter stromabwärts – auch in Eltville entwickelt hat, nämlich für den Bereich das Nikolausbrunnens.
Nach Einschätzung des Stadtbild-Vereins ist diese Gleichartigkeit und Beliebigkeit der Entwürfe damit zu erklären, dass schlichtweg der Mut fehlt, den selbst definierten engen Gestaltungsrahmen zu verlassen. Dessen Eckpunkte können mit fünf Begriffen beschrieben werden: Sitzbänke und Sitzstufen, Weinfässer und Rheinschiffchen sowie eine Darstellung vom Verlauf des Rheins. Es fehlt eigentlich nur noch ein Stahlseil als Allegorie für die schwere Arbeit der Leinenschlepper. Da es um eine Ausgestaltung des Leinpfades geht, kann man mit solchem Beiwerk natürlich keinen grundsätzlichen Fehler machen. Wenn sich zwischen Walluf und Lorch die Kreativität allerdings auf diese Gestaltungselemente beschränkt, dann ist das einfach nur langweilig und wird dem anspruchsvollen Motto des Regionalparks RheinMain „Der Landschaft einen Sinn – den Sinnen eine Landschaft“ nicht gerecht.
Gerade das „Leinpfadplätzchen“ in Walluf würde sich anbieten, einmal von der Rheingauer Standard-Ausführung abzuweichen. Denn hier öffnet sich die Tür zu einer anderen, außergewöhnlichen Welt und wir schlagen vor, an dieser Stelle den symbolischen Übergang in diese wunderbare Welt zu gestalten. Solche Übergänge sind in den Gartenkulturen der Welt vielfach anzutreffen, zumeist in der Form von Toren . In der asiatischen Gartenkultur gibt es beispielsweise das „Mondtor“, welches den Eingang in den Garten darstellt oder einen Übergang von einem Gartenbereich in den anderen. In einer chinesischen Kalligraphie heißt es: „Wenn Du dieses Tor durchschreitest, so hast Du einen anderen Himmel über Dir und eine andere Erde unter Deinen Füßen.“ Dieser Satz beschreibt die Gegebenheiten am „Leinpfadplätzchen“ in zutreffender Weise.
Es gibt aber noch einen ganz anderen Grund am „Leinpfadplätzchen“ ein Tor zu errichten, nämlich die Tatsache, dass Walluf die „Pforte des Rheingaus“ ist. Auf Wikipedia kann man hierzu folgendes lesen: „Durch Walluf führte einer der wichtigsten Wege in den Rheingau, dessen Durchlass durch das Gebück aus einer stark befestigten Toranlage bestand, die wegen ihrer Form Backofen genannt wurde. Daher nennt sich Walluf auch Pforte des Rheingaus.“
Wir schlagen daher vor, am „Leinpfadplätzchen“ einen Rundbogen als symbolisches Eingangstor zu errichten, im Stil angelehnt an die Backofen-Zeichnung des Rüdesheimer Geometers Andeas Trautner von 1748. Dieser Bogen sollte den Leinpfad nicht überspannen, sondern seitlich davon stehen. Ein schöner Standort wäre die südwestliche Ecke des „Leinpfadplätzchens“, so dass sich dem Spaziergänger – von Walluf kommend – ein herrlicher Blick durch den Torbogen auf den Rhein bieten würde. Eine solche Gestaltung würde „Der Landschaft einen Sinn – den Sinnen eine Landschaft“ geben.