Rheingauer Visionen

Im Oktober diesen Jahres lief im hr-Fernsehen die Serie „Hässliches in Hessen“. Zwei der fünf Einzelbeiträge spielten im Rheingau. Der erste Film wurde am 23. Oktober in der Hessenschau gesendet und behandelte die B 42 vor dem Hotel Schwan in Oestrich-Winkel. In der lokalen Presse gab es keine Hinweise auf diesen Beitrag und auch nach der Sendung wurde nicht darüber berichtet. Wir bedauern dies, da aus unserer Sicht einige Aussagen sehr lehrreich sein können im Hinblick auf künftige Entwicklungen im Rheingau. Nachfolgend haben wir einige Zitate (in chronologischer Abfolge, teilweise gekürzt) aus der etwa 4-minütigen Sendung zusammengestellt:

„Die Leute haben hier die Rheinpromenade genossen, sie haben sich hier getroffen, haben Wein getrunken. Das war ein besonderer Bezug zum Rheinufer. Und dann kam leider die Straße dazwischen und seitdem ist das abgeschnitten.“ (Paul Weimann, ehemaliger Bürgermeister von Oestrich-Winkel und Vorsitzender der Versammlung des Zweckverbandes Rheingau)

„Menschen, die zum ersten Mal zu uns kommen, sind in der Regel sehr enttäuscht. Das ist für die ganze Region dumm. Es kommen einem die Tränen.“ (Olaf Larsen-Schmidt, Geschäftsführer und Gesellschafter des Hotel Schwan)

„Ach wie glücklich ist dagegen die Stadt Eltville. Sie boomt als stilvoller Wohnvorort von Wiesbaden; denn sie bekam später Anschluß an die Bundesstraße. Die sollte in den Achzigern auf Stelzen vor die Promenade gebaut werden, aber es gab enormen Protest und nun führt sie an der Stadt vorbei. Dem Mann vom Zweckverband aus Oestrich-Winkel lässt das keine Ruhe. “ (Holger Weinert, Fernsehmoderator des Hessischen Rundfunks)

„Ich persönlich würde es sehr begrüßen, wenn man die jetzige Bundesstraße unterirdisch verlegen würde. Man muss Visionen haben und diese Visionen sind notwendig, um die Struktur des  Rheingaus und auch vor allem die Gestaltung des Rheingaus als Kulturlandschaft wieder herzustellen. Die Menschen wollen sich in ihrer Region wohlfühlen und dieser Straßenbau hat dazu geführt, dass sie sich nicht mehr wohlfühlen.“ (Paul Weimann)

Wir teilen die Einschätzung von Herrn Weimann im Hinblick auf das Ausmaß der Zerstörung, die dem Rheingau vor etwa 50 Jahren mit dem Bau der B 42 zwischen Erbach und Rüdesheim zugefügt wurde. Allerdings unterscheiden sich Herrn Weimanns Zukunftsvisionen für die B 42 ganz grundsätzlich von unseren. Wir glauben nämlich nicht, dass diese Straße jemals in einen abgesenkten Tunnel verschwinden wird. Stattdessen sehen wir das Horrorszenario, dass die B 42
von Erbach bis Geisenheim zur Autobahn ausgebaut werden muss, falls dort eine Straßenbrücke über den Rhein gebaut wird.

Und wir haben noch eine weitere Zukunftsvision: Wir sehen im Jahr 2050 eine neue Serie von „Hässliches in Hessen“, in der der Bürgermeister von Oestrich-Winkel in den Weinbergen oberhalb seiner Gemeinde interviewt wird. Inmitten einer Vielzahl von Hotels, gastronomischen Betrieben und Stahlhallen, fragt der Moderator warum es die Bewohner des Rheingaus zugelassen haben, dass eine der schönsten Kulturlandschaften durch Aussiedlungen und Neugründungen für immer zerstört wurde. Und wir sehen im hr-Fernsehen einen Bürgermeister, der mit den Schultern zuckt und sagt, dass das alles ganz schlimm sei; aber es sei vor seiner Zeit geschehen.